"Emigrate ist ein Reinigungsprozess" Mit seiner Wahlheimat New York als Basis hat sich Richard Z. Kruspe die Zeit genommen, um sich abseits seiner erfolgreichen Hauptband musikalisch weiter zu verwirklichen. Das Ergebnis hört schlicht und ergreifend auf den Namen "Emigrate". Geboten wirkt packender Industrial Rock mit Ministry-Riffs und überraschend eingängigen Melodien wie auch düsteren Songs, die man so wohl kaum erwarten konnte - ein Hit ist vorprogrammiert. musicbeat.de sprach mit Richard Z. Kruspe über Balanceakte, seine Wahlheimat New York und das Erwachsen werden als Sänger. Außerndem gibt es Infos über Tourpläne und den Fortbestand von Rammstein. musicbeat.de: Unter dem Pseudonym Emigrate bewegst du dich auf Solopfaden. Wann ist die Idee zu diesem Projekt gekommen? Richard: Die Idee ist schon ein bisschen älter, ungefähr fünf Jahre und morgen, am 31. August erscheint ja nun das Album! Es hat ein paar Jahre gedauert seit dem Tag, an dem ich gesagt hab, ich möchte jetzt etwas Neues machen. Nach 1-2 Jahren war ich so weit, dass ich gesagt habe, ich mach das alleine, ich werde es schreiben, ich werde dem Ding einen Namen geben. Dann habe ich mich hingesetzt und habe angefangen Songs zu schrieben, mich um die Produktion zu kümmern und um die Fertigstellung. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich die richtigen Leute im Boot hatte! musicbeat.de: Wann gab es konkrete Pläne, das Album de facto rauszubringen? Wann hast du den richtigen Zeitpunkt gefunden? Richard: Das hängt immer von Rammstein ab, da gibt es oft zeitliche Überschneidungen. Wie schon gesagt, ich glaube 2001 was das Jahr, in dem ich von Berlin nach New York gezogen bin und dort quasi von vorn angefangen habe. In dieser Zeit wurde Emigrate auch geboren. musicbeat.de: Emigrate – woher kommt dieser Name? Ist das eine Anspielung auf dein neues Leben in den Staaten? Richard: Emigrate beschreibt genau das, wo ich mich in der ersten Zeiten auch befunden habe, nämlich das Emigrieren aus der Alten Welt, einem Teil meines Lebens, in dem ich meinte, mich verändern zu müssen. Es beschreibt die Situation, in der ich mich damals befand. Den Namen habe ich in New York auf der Straße gefunden, auf einem Stück Papier. Es geht nicht nur um die geografische Distanz, sondern auch um die mentale Distanz zu meiner Vergangenheit. musicbeat.de: Mit Arnaud Giroux und Henka Johansson hast du eine schlagkräftige Mannschaft gefunden. Die beiden wohnen ja nicht unbedingt bei dir um die Ecke. Wie ist es zur Zusammenarbeit mit diesen beiden Herren gekommen? Richard: Arnaud Giroux wohnt tatsächlich um die Ecke, er kommt aus New York. Dort hab ich ihn auch kennen gelernt. Er arbeitete damals an einem eigenen Projekt. Als er dann meine Sachen gehört hat, meinte er, lass uns auf deins konzentrieren! Henka, den Schlagzeuger von Clawfinger, habe ich schon bei früheren Rammstein-Touren kennengelernt. Ich mochte einfach immer die Art und Weise wie er Drums gespielt hat. Ich habe ihm ein paar Sachen vorgespielt, und er war sofort dabei. Die anderen beiden Menschen sind Freunde aus Berlin, mit denen ich schon immer zusammenarbeiten wollte, aber nie dazu gekommen bin. musicbeat.de: Mein Eindruck zu deinem Album: Satter Industrial Rock mit einer Packung Ministry und unweigerlichem Pop-Appeal, dennoch schön düster. Hattest du ein gewisses Bild im Kopf, als du dieses Album geschrieben hast? Richard: Im Grunde genommen nicht. Ich habe angefangen zu schreiben, ohne zu wissen wo die Reise hingeht. Die ersten drei, vier Stücke lehnen sich ein bisschen an den Rammstein-Groove und –Sound an. Dann gibt es aber eben auch diese neue Facette, eine gewisse melancholische, feminine Seite der Musik. musicbeat.de: Welche Bands würdest du als wichtige Einflussquelle für dieses Werk spezifisch und deine Musikerkarriere generell bezeichnen? Richard: EEinen definitiven musikalischen Einfluss gab es gar nicht. Ich glaube, der größte musikalische Einfluss ist die Stadt New York. Als ich das Album am Ende gehört habe, war ich überrascht, wie rockig es geklungen hat. New York hat viel mit Rock zu tun. Und es ist eine sehr feminine Stadt. Ich glaube, dass diese beiden Attribute auf dem Album eine große Rolle spielen. musicbeat.de: Wo wir gerade bei New York sind, "New York City" wird die erste Single. Ein sehr ruhiger, eingängiger Song. Natürlich nehme ich an, dass es um die Stadt geht, aber da eine Single repräsentativen Charakter haben soll, welche Facette von "Emigrate" reflektiert es? Richard: Der Song "New York City" spiegelt nur zum Teil wieder, was auf dem Album zu hören ist. Das Album hat aus meiner Sicht viele unterschiedliche Facetten. musicbeat.de: In einem Interview mit einem britischen Magazin hast du dich als erwachsener Gitarrist aber als Sänger in den Kinderschuhen bezeichnet. Wie neue ist das Singen für dich und hat es Pläne gegeben, das Album von einem anderen einsingen zu lassen? Richard: Es gab eine Zeit in der ich sehr frustriert war, und ich als Schreiber und Komponist nicht das erreichen konnte, was ich wollte. Ich habe einen hohen Anspruch an mich. Ich habe begonnen, selbst zu singen. Mir war in erster Linie wichtig, dass das Gefühl in den Texten ehrlich rüberkommen muss, authentisch. Ich bin froh, dass ich diesen Weg gegangen bin. Ich bin auch froh, dass ich im Grunde genommen jetzt wieder mit Freude bei Rammstein spielen kann, was jahrelang nicht möglich war. Emigrate ist ein Reinigungsprozess der Balancierung meiner Selbst gewesen. musicbeat.de: Im Gegensatz zu deiner Hauptband singst du in englischer Sprache. Willst du auf diese Art und Weise zusätzlichen Fokus darauf legen, dass es sich bei Emigrate um dein eigenes Ding handelt? Richard: Für mich war das ganz natürlich, vor allem wenn man in einer Stadt lebt, in der man Englisch spricht. Deutsch ist zwar meine Muttersprache, aber ich lebe dieses Leben hier im Englischen. Ich träume, ich bewege mich in Englisch. musicbeat.de: Gerade Henka wohnt nicht unbedingt bei dir um die Ecke, außerdem ist momentan auch ein neues Rammstein-Album in Arbeit. Gibt es Tourpläne bzw. entsprechende Pläne für die Zukunft? Richard: Es gibt prinzipiell einen Plan, auf Tour zu gehen. Aber da jetzt – wie du bereits gesagt hast – Rammstein aktiv ist, bin ich natürlich da, wo ich hingehöre, nämlich bei Rammstein. Das ist meine Priorität. musicbeat.de: Ich kann mir, so sehr ich es versucht habe, eine einzige Frage zum Thema Rammstein nicht verkneifen. Du hast es gerade bestätigt – ein neues Album ist in der Mache. Gibt es schon konkrete Aussichten, wann wir wieder was Neues hören werden, gibt es eine ungefähre Richtung? Richard: Was ich sagen kann, ist, dass wir gerade unglaublich Spaß haben, an diesem neuen Album zu arbeiten. musicbeat.de: Eine abschließende Frage zum Thema Emigrate – darum geht es ja schließlich. Mit dem Erscheinen des Albums, war es das? Richard: Immer, wenn ich in New York bin, arbeite ich an Emigrate. Wie ich schon erwähnt habe, wird Emigrate immer Bestandteil meines Lebens sein, so lange ich mit Rammstein unterwegs bin. Die beiden Dinge balancieren sich für mich, halten sich im Gleichgewicht.
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